Ist noch Kaffee da?

Kulturhistorische Einordnung: Wir schreiben die frühen Neunziger: In den USA erholt sich die Rockmusik von den Nachwehen der Angriffe durch die PMRC ein paar Jahre früher, In Norwegen sind kürzlich im Zuge der Black Metal Welle ein paar Kirchen abgebrannt und hier in Deutschland befürchten Lehrer und Eltern mal wieder den Untergang der westlichen Zivilisation. Soweit also alles so wie immer. Im Fadenkreuz der ewigen Bedenkenträger sind diesmal Computerspiele, Heavy Metal und natürlich Rollenspiele. Nerd war damals noch ein echtes Schimpfwort. In diesem Umfeld sahen sich Rollenspieler einer Vielzahl von Vorurteilen ausgesetzt und so mancher Schüler, der mit Rollenspielbüchern in die Schule kam, wurde zum Einzelgespräch ins Lehrerzimmer gebeten. Aus dieser Zeit stammt dieser Artikel, der in der Schülerzeitung eines Flensburger Gymnasiums gedruckt wurde.

 

Was ist eigentlich ein Rollenspiel?

Um diese Frage zu beantworten, die sich viele Leute stellen wenn sie von Fantasy-Rollenspielen hören und uns Rollenspielern auch immer wieder gestellt wird, habe ich hier einen Artikel, der von Zwerg und Brynn geschrieben wurde. Anlass war das Verbot des Projektes Rollenspiele währen der Projektwoche des Alten Gymnasiums, Flensburg. Die Schulleitung vertrat die Ansicht Rollenspiele seien hochgradig gewaltverherlichend. Meiner Meinung nach ein typisches Beispiel für die Vorurteile über unser schönes Hobby.

Rollenspiele oder: Ist noch Kaffee da ?

Während der Prowo95 wurde ein Projekt angeboten : „Rollenspiele“. Obwohl dieses Projekt großen Zuspruch fand, wurde es verboten, „gewalt-verherrlichend“ und „persönlichkeitsspaltend“ wurde es genannt. Das klingt ja eigentlich ganz schön schlimm, aber auch interessant, was tun denn Rollenspieler nun eigentlich? Sie treffen sich. Das tun Kegelclubs auch. Sie setzen sich um einen Tisch. Tut man ja auch recht häufig. Nun packen sie aus: Erschreckend, was da zu Tage tritt : Würfel, Stifte, Kekse, Kaffeekannen, Diätcola, Unmengen Papier und ähnlich okkulte Gegenstände. Was aber ist Rollenspiel nun genau ?

Jeder der Spieler verkörpert einen Charakter (sei es ein Magier, Ritter, Detektiv oder Raumfahrer, je nach Rollenspiel verschieden). Dieser hat verschiedene Attribute, z.B. Intelligenz oder Charisma. Diese stellen mit unterschiedlichen Werten die Stärken und Schwächen des Charakters dar. Außerdem gibt es noch ein Regelgerüst, daß die Aktionen der Charaktere regelt. Die Spieler bekommen vom Spielleiter, der die Rahmenhandlung angibt, einen Auftrag (Prinzessin retten, Kaffee kochen o. ä.). Der Spielleiter schildert den Spielern nun die Schauplätzt und Geschehnisse des Abenteuern. Aus diesen Dialogen entsteht dann das Abenteuer.

Ausschnitt aus dem Spiel:
Spielleiter : Die Brücke über die Schlucht, vor der ihr steht ist eingestürzt. Was macht ihr ?
Priesterin : Kann man da ‚rüberspringen?
Spielleiter : Wenn du weiter als 8 Meter springen kannst…
Magier : Ich zaubere „Levitation“ und schwebe ´rüber.
Spielleiter : OK. Was machen die anderen?
Ritter : Ist da ein Baum an der Schlucht, höher als 8 Meter?
Spielleiter : Ja, du findest einen ca 12 Meter hohen Baum an der Schlucht.
Ritter : Der wird gefällt! Also so, daß er über die Schlucht fällt.
Spielleiter : (würfelt ob es den Spielern gelingt den Baum zu fällen) Das funktioniert wohl. Und, nu‘ ?
Klerikerin : Na ‚rüber natürlich!.
Spielleiter : Dann mach mal ne Geschicklichkeitsprobe.

Nun wird gewürfelt, ob die Klerikerin es schafft, hinüberzukommen oder nicht. So sollte es sein, die (Rollenspiel-) Realität sieht etwas anders aus, selbe Situation:

Spielleiter : Die Brücke über die Schlucht, vor der ihr steht ist eingestürzt. Was macht ihr ?
Ritter : Wir warten, was passiert ?
Spielleiter : Nichts passiert, was soll passieren ? Was macht ihr nun ?
Klerikerin : Wir essen Kekse, siehst Du doch.
Spielleiter : Oh, Mann, ich meine eure Charaktere, was machen die ?
Magier : Weiß nicht … laß mal nach Öl bohren.

An dieser Stelle verlassen wir den armen Spielleiter, viel zu oft sieht Rollenspiel so aus. So ist das Rollenspiel nur eine gemütliche Runde bei, der alle Beteiligten sehr viel Spaß haben. Wenn der geneigte Leser das nun alles für kindisch, albern und todlangweilig hält, dann…Yahoodeeee !!! -aber die Behauptung, Rollenspiele wären eine ernsthafte Bedrohung für die christlich-konservative Jugend, klingt immer noch seltsam absurd. Doch es gibt Argumente -na ja…- oder zumindest nette kleine Vorurteile, die solche Thesen belegen sollen: Zuerst einmal verharmlosen Rollenspiele die Gewalt.* Aber wie ist das möglich ? Schließlich hat jeder Spieler die Möglichkeit, Konflikte in der Spielwelt ohne Gewalt zu lösen, wenn er nur will. Der Rollenspielsitzung hängt ausschließlich vom Willen der Spieler und des Spielleiters ab. Wenn allerdings verhaltensauffällige, 12-jährige Sauerstoffallergiker es für spaßig halten, ganze Monsterheere zu Hackfleisch zu verarbeiten, dann ist das ihre Entscheidung- es liegt nicht im Wesen des Spiels, das sie spielen. Das Rollenspiel an sich ist auch nicht die Ursache, wenn sie sich in einem Anfall von Identitätsverschiebung aus dem Fenster stürzen, weil sie sich für einen geflügelten Dämonen halten, oder weil ihr Charakter, Gnumpf, der Barbar, gerade auf der 149sten Erfahrungsstufe durch eine magische Dampfarmbrust+15 mit Zielfernrohr und Schalldämpfer das Zeitliche gesegnet hat. Rollenspielgegner, Journalisten und Friseure erzählen sich gegenseitig und der empörten Öffentlichkeit solch abstruse Geschichten in pädagogischen Fachzeitschriften, EXPLOSIV-Sendungen und am Lagerfeuer. Rollenspieler wie wir erfahren von all dem Mord und Totschlag, den unsereiner so veranstaltet leider nur auf Umwegen. Aber wir sind ja auch keine Experten…

That´s all Folks, jetzt ist es zeit für unseren allwöchentlichen Amoklauf durch die Innenstadt – he,he…

* Wer das behaupten tut, kriecht eins aufs Maul – Chrof El Duk, Minotaurenbarbar

Earthdawn Footer